Was Martin Kall in Köln sagte… und die Rückkehr der Vernunft II

Martin Kall, Geschäfstführer von Tamedia, sprach auf den Medienforum NRW in Köln und sagte – laut Berichten – u. a. folgendes:

Martin Kall, Geschäftsführer von Tamedia (Zürich), setzt dabei vor allem auf Investitionen. 1987 habe sein Verlag eine neue Sonntagszeitung aufgebaut, zehn Jahre später habe sie erstmals Gewinne erwirtschaftet. Über die Gratiszeitung „20 Minuten“ sei es Tamedia gelungen, junge Leser anzusprechen. Sie habe mittlerweile eine Auflage von 800.000 Exemplaren erreicht. Dass dieses kostenlose Angebot zulasten der Kaufzeitungen gehe, sei bisher nicht zu beobachten. „Mir ist ein Gratiszeitungsleser lieber als gar kein Leser“, betonte Kall. Er riet anderen Verlagen, vor allem in den Journalismus zu investieren: „Wir können uns das Heruntersparen der Redaktionen nicht leisten.“ 

Kall: Die Schweiz ist kein „Heidiland für Verlage“

Tamedia-Manager Martin Kall schilderte in seiner Keynote, wie sich das Schweizer Unternehmen in den vergangenen Jahren fit für die Zukunft gemacht hat. Hier haben 3.200 Mitarbeiter aus gut 40 Ländern im Jahr 2008 596 Millionen Euro erwirtschaftet. Und dies in einem Land mit 7,6 Millionen Einwohnern, vier Sprachen und 26 Kantonen – in dem verkaufte und kostenlose (Pendler-)Zeitungen 91 Prozent Reichweite und 29 Prozent aller Werbeeinnahmen erzielen. Gleichwohl sei die Schweiz kein „Heidiland für Zeitungsverleger“, versicherte Kall. Der „Tagesanzeiger“ habe in den vergangenen zehn Jahren 33 Prozent der Leser verloren, 23 Prozent der Auflage und 45 Prozent der Anzeigen in allen Kategorien. Bisher habe es in wirtschaftlichen Spitzenjahren immer eine deutliche Erholung gegeben (wie 1998 oder 2000), aufgrund der Konkurrenz durch das Web bleibe diese nun jedoch aus. Für die kommenden zehn Jahre erwarte er einen Schwund der Leser um 25 Prozent und der Werbung um 30 Prozent. Dies werde zu einem Strukturwandel führen, prognostizierte Kall, Zeitungen würden verschwinden. Deshalb jedoch allein mit Sparmaßnahmen zu reagieren, sei keine Lösung. „Wer nur spart, gewinnt kurz Zeit, aber nicht die Zukunft“, versicherte der Manager.

„20 Minuten“ für junge, urbane Schweizer

Wie also reagiert Tamedia auf die demografischen und ökonomischen Zwänge? Das Haus investiert bereits seit Jahren in Redaktion und Vertrieb der (verkauften) Sonntagsausgabe, die, 1987 gegründet, 1998 erstmals Gewinne schrieb. Zuwachs bei jungen Lesern erzielte Tamedia durch den Einstieg bei der Pendlerzeitung „20 Minuten“, die eine Marke für „junge, urbane Schweizer, gedruckt und online, deutsch und französisch“ werden soll. Hinzu kommen das größte Immobilienportal der Schweiz, ein News-Online-Netzwerk ebenso wie ein regionales Onlinenetzwerk mit sieben ansonsten konkurrierenden Titeln oder der Kauf der französischen Zeitungsgruppe Edipress, der allerdings von den Wettbewerbsbehörden noch genehmigt werden muss. „Es ist wichtig, nicht in den Rückspiegel zu schauen, sondern nach vorn“, sagte dazu Kall, „unser Wettbewerber ist Google.“ Outgesourct wurde hingegen, was zu klein oder nicht rentabel zu führen war, etwa die IT an die Schweizer Telefongesellschaft Swiss Com oder die Zustellung an ein von der Schweizer Post geführtes Unternehmen. Ob sich das alles rechnen wird? Bisher seien, so der Manager, die Umsätze der Tamedia vor Steuer im Durchschnitt pro Jahrzehnt deutlich gewachsen. „Ich bin zuversichtlich, dass es so bleibt.“

Hubert Burdas „flammender Appell“ oder die Rückkehr der Vernunft, Teil II

Verleger Hubert Burda hat die „FAZ“ als Forum für einen flammenden Appell zugunsten gesetzlicher Schutzregeln für Medien gewählt. Unter dem Schlagwort einer „schleichenden Enteignung“ greift Burda vor allem die Suchmaschinen, namentlich Google und Yahoo, als überproportional verdienende Nutznießer der journalistischen Arbeit anderer an. Adressat des Appells, der die Debatte um die Web-Verwertung erweitert, ist die Politik, von der Burda ein weit gefasstes „Leistungsschutzrecht“ fordert.

http://www.Media.de

Verleger Hubert Burda (Foto) plädiert in der „FAZ“ (Dienstagsausgabe) für ein erweitertes Leistungschutzrecht für Verlage im Internet. Werbung im Netz funktioniere zwar, doch seien die Suchmaschinen die größten Nutznießer der Werbeinvestitionen. Für Verlage bliebe schlicht zu wenig übrig: Es bleibe „zu konstatieren, dass dies kein tragfähiges Geschäftsmodell für journalistische Qualität im Internet ist“, so Burda. Wer die Leistung anderer nutze – wie Suchmaschinen, die auf journalistische Inhalte verlinken – müsse auch dafür bezahlen. „Sonst sehen wir der schleichenden Enteignung der Inhalte-Produzenten tatenlos zu“, sagt Burda. Daher müssten gemeinsame Spielregeln für einen fairen Umgang im Netz erarbeitet werden. Dabei sieht Burda auch den Gesetzgeber in der Pflicht, der den Erhalt der vierten Gewalt im Staat sichern müsse – aus reinem „Selbsterhaltungstrieb“ des Rechtsstaates.

Daher müssten gemeinsame Spielregeln für einen fairen Umgang im Netz erarbeitet werden. Dabei sieht Burda auch den Gesetzgeber in der Pflicht, der den Erhalt der vierten Gewalt im Staat sichern müsse – aus reinem „Selbsterhaltungstrieb“ des Rechtsstaates. Schließlich gehe es um die „Bewahrung eines Kulturguts“, so Burda.

http://www.kress.de

Blattkritik: Heute „Sonntagszeitung“

Zur sonntäglichen Zeitungslektüre gehören: Die Sonntagszeitung“, die „NZZ am Sonntag“, der „Sonntag“, der „Sonntagsblick“ und die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“. Hier nun die Blattkritik der „Sonntagszeitung“.

Für einmal waren sich die Schweizer Sonntagszeitungen nicht einig: Jede machte mit einer anderen Geschichte auf. Es ist ein gutes Zeichen, wenn die Redaktionen eigenständig handeln. Die NZZ am Sonntag rückte die geplante Regelung der Sterbehilfe in Zürich an die Spitze, der Sonntag meldete, dass eine Einigung zwischen der UBS und den USA zwischen drei und fünf Milliarden Franken kostet und dem Blick ist der Tod Michael Jacksons am wichtigsten.

Um originell zu sein, muss man an den Ereignissen feilen, darin ist die Sonntagszeitungs-Redaktion geübt. „Brutale Banken: Kredite für Firmen nur bei Entlassungen“, heisst die Schlagzeile. Macht sich gut auch auf dem Plakat. Und bestätigt – ein Erfolgsgeheimnis des Boulevards – Vorurteile. Diesen Aufmacher ziehen die Kollegen dann auch im Blatt auf zwei Seiten weiter. Auf der 44 heisst es: „Die Banken drängen die Industrie zu Entlassungen“ und „Banken greifen ins tägliche Geschäft ein.“ Ist das nun ein Scoop? Oder nur eine leicht tendenziöse Zuspitzung? Mein Vorschlag: „Banken geben nur Firmen Kredit, welche diese auch zurückzahlen können“ ist natürlich weniger aufregend. Oder, ergänzend: „Wer seine Kosten nicht im Griff hat, bekommt keine Bankkredite“. Einen eigenen Kommentar jedenfalls ist der dreiseitige Aufmacher der Redaktion nicht wert. Und auch das deutet darauf hin, dass man die eigene Schlagzeile nicht für besonders relevant hält.

„Frauen über 65 bechern immer öfter“ ist eine weitere Titelzeile auf der 1. „Immer öfter“ vermeidet eine stilsichere Redaktion, „bechern“ ebenfalls. Und was uns mit dieser Bildzeile der Dichter sagen wollte, bleibt wohl für immer verborgen: „Alle wollen ein Stück vom King of Pop“. Die Zeiten der Reliquiensammlungen sind doch glücklicherweise vorbei.

Auf der 1 fehlt ein Inhaltsverzeichnis, dafür erfahren wir, dass 113 Kader-Stellen in der Beilage ausgeschrieben sind.

Keine Kritik an den beiden Nachrichten – Seiten. Oder doch: Wenn es heisst „60 Prozent der Schweizer für Impfzwang“ dann fehlt der Hinweis, dass es hier um eine der unsäglichen und ungezählten Umfragen geht, die meist so genau sind wie eine russische Uhr aus kommunistischer Zeit.

Mit gutem Hintergrund Zur Bundesratswahl, einer originellen Schlagzeile zu den Polizeieinsätzen bei Sportveranstaltungen („Polizei stellt die Abseitsfalle“) und dem gedrechselten Kommentar Roger de Wecks zur Verhältnis Schweiz-Irak geht es weiter.

„Tieranwalt geht gegen Welpentöter vor“ (Seite 6)? „Welpentöter“?

„US-Klimagesetz nimmt erste Hürde?“ (An der Umwelt-Olympiade?)

Bei Michael Jackson war – wir wissens von der 1 – ein Dichter am Werk, Vorspann zum dreiseitigen Nachruf: „… sein tragisches Schicksal hat die Magie des Showbusiness nicht gebrochen“.

Originell die Analyse der Sprache von Bundesrat Merz durch eine „Forschergruppe“. 

Aus dem Interview mit der Zürcher Regierungspräsidentin und Erziehungsdirektorin Regine Aeppli zitieren wir nur dieses: Frage: Wie ziehen Sie mehr Männer an? Antwort: Wir leben in einer freiheitlichen Gesellschaft, in der wir niemanden zu einem Beruf zwingen können. Frage: Lesen Sie jedes Buch zu Ende? Antwort: Nein, ich höre auf, wenn ein Buch schlecht geschrieben ist.

Den Sportteil kritisieren wir nicht … das ist eine eigene, andere Welt.

Über dem Interview mit Herbie-Hancock (gibt es schlimmeres Klischee als „Jazzlegende“?) steht „Ich habe Schiss davor.“ Da wir annehmen, dass das Interview auf Englisch geführt wurde, hätten das gerne im original gelesen.

Es gibt Schauspieler des Jahres und vielleicht noch des Monats. Die Sonntagszeitung kürt Birgit Minichmayr zur „Schauspielerin der Stunde.“

Die Wirtschaft macht mit Rolf Dörigs „goldenem Fallschirm“ auf – die 1.8 Millionen Franken dürften für die vermutete Empörung sorgen. 

Einen Leckerbissen finden wir dann in der (ungezeichneten) Rubrik „Bührohr“. Er gehört zur Abteilung Konkurrenten-Bashing. Unter http://www.freundedernzz.ch, so erfahren wir, versammeln sich alle, die mit dem NZZ-Verwaltungsratspräsidenten Conrad Meyer nicht einverstanden sind. 

Schön dann der Ratschlag für Anleger: „Fallen Sie nicht in die Goldgrube.“

Und eine spannende Ergänzung zum Artikel über Alkoholismus im Alter ist die Wissen-Geschichte „Zweifel am gesunden Alkohol“ (Titel). Am gesunden Alkohol hatten wir eigentlich nie gezweifelt, es war einfach nicht ganz sicher, ob Alkohol gesund sei.

„Schwimmen bis die Lunge schäumt“ erklärt uns, dass beim Gigahlon ein Lungenödem droht. 

Im „Trend“ erfährt der geneigt Leser: „Die Zeit für Lügen ist vorbei, sagen die Werber. Dafür haben die Macht über die Marke jetzt wir – die Konsumenten“. Zwischentitel: „Was will einer sagen, der Audi fährt?“. Schmunzelnd lasen wir dann noch diesen Titel: „Ich suche sehnsüchtig die letzten Reste, die noch authentisch atmen.“ Die „authentisch atmenden letzten Reste“ hätten wir ganz gerne mal gesehen.

Autojournalismus ist unterhaltsam – die 216’000 Franken teure Porsche Panamera heisst hier „Der Familien 911“.

Seit langem frage ich mich, warum der interessante Multimedia-Bund jeweils mit einer langweiligen Geschichte aufmacht. Diesmal nicht: Das Porträt des Programmierers von Chrome ist spannend geschrieben – nur: Warum würgt der Redaktor hier diesen Titel drüber: „Der Kuhstall-Programmierer“? Programmiert Lars Bak etwa Kuhställe? Und falls ja, wie?

Zu den Kommentaren mehr bei einer folgenden Kritik. Zur Unterscheidung zwischen Bericht und Kommentar führen wir dieses Titel an: „Brutale Banken…“. Ist das nun Bericht oder Kommentar?

Lehnen wir uns schliesslich zurück und fragen uns am Sonntagabend, was wir jetzt mehr oder besser wissen? Fazit: Kein Scoop, etwas schnell gemacht und unterhaltsam zu lesen.

Die Kriterien der Blattkritik:

Scoop (was ist neu und/oder exklusiv) – Sprache (Originalität in Inhalt und Form) – Trennung von Kommentar und Fakten – Anmutung/Optik/Bild – Gesamteindruck/Stil.

Und dann, zum Trost, lasen wir noch die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG und fanden da folgenden Artikel: „Der Fernsehsender RTL II erfreute uns diese Woche mit der Meldung, dass er sein Schaffen künftig unter das Motto „it’s fun“stellen will, und weil der damit postulierte Paradigmenwechsel nicht unbedingt für alle Zuschauer so ohne weiteres nachvollziehbar ist, warf der Sender zur Erläuterung mit einer Studie … um sich. Diese kam zu der gewagten Erkenntnis: „Fun ist in unserer Gesellschaft und in der heutigen Zeit besonders grossgeschrieben“. „In der gegenwärtigen Krisenzeit“, heisst es weiter, „spielt Fun eine wichtigere Rolle denn je. Fun wirkt ausgleichend. Fun ist positiv, Fun bringt den Menschen Zuversicht.“ Und deshalb wird jetzt nicht nur das Programm fundamental unter die Devise „Funtainment pur“ gestellt, sondern auch „alle Kommunikationsmassnahmen werden konsequent auf das Thema Fun ausgerichtet.“ Die Pressemitteilung macht da offensichtlich den Anfang.

Schlussbemerkung: Bleibt zu hoffen, dass uns bei den Schaffhauser Nachrichten alle Kritiker ebenso liebevoll unter die Lupe nehmen.

Das Medienpolitische Manifest der Schweizer Verleger

Das Präsidium des Verbandes der Schweizer Presse VSP hat an seiner Retraite in Weggis ein – lange angekündigtes – Medienpolitisches Manifest verabschiedet, das hier veröffentlicht wird zusammen mit der Medienmitteilung.

„Medien bilden ein wesentliches Element öffentlicher Kommunikation. Insbesondere im Bereich der politischen Meinungsbildung kommt ihnen zentrale Bedeutung zu. In der Schweiz mit ihrem föderalistischen und direktdemokratischen System sind die Erwartungen an ein ausdifferenziertes Mediensystem besonders hoch und das Angebot ist entsprechend vielfältig. Die gegenwärtigen konjunkturellen und strukturellen Entwicklungen stellen die hiesigen privaten Medienanbieter aber vor grosse Herausforderungen.

Um ihre Leistungen auch künftig in hoher Qualität und Vielfalt anbieten zu können, sind die Unternehmen auf gute Rahmenbedingungen angewiesen. Indem die Politik ein günstiges Umfeld schafft, kann sie dazu beitragen, dass die Medienunternehmen weiterhin ihre publizistischen Leistungen erbringen können. Dabei ist die Unabhängigkeit der privaten Medien unbedingt zu wahren und einschränkende und wettbewerbsverzerrende Regulierungen sind zu vermeiden.

In diesem Sinne treten die Schweizer Verleger für folgende medienpolitische Massnahmen ein:

–        Mehrwertsteuer: Anbieter publizistischer Medienleistungen sollten von der Mehrwertsteuer befreit werden (echte Befreiung). Zumindest sind die bestehenden Sondersätze für Medienprodukte beizubehalten.

–        Steuerabzüge: Die Ausgaben für Zeitungs- und Zeitschriftenabonnements sollen für die Steuerpflichtigen in der Schweiz voll abzugsfähig sein.

–        Vertriebsförderung: Die bestehende Förderung der Pressedistribution durch ermässigte Posttarife ist betragsmässig und bezüglich Titelkreis auszubauen sowie auf weitere Distributionskanäle auszudehnen. Die bisherige Sonderförderung für die kleinauflagige Lokalpresse soll gewahrt werden.

–        Werbefreiheit: Die zunehmenden Werbebeschränkungen gefährden das finanzielle Fundament freier und unabhängiger Medien, die sich massgeblich über Werbeeinnahmen finanzieren. Auf weitere Werbeverbote und Einschränkungen der kommerziellen Kommunikation ist deshalb zu verzichten.

–        Eingrenzung SRG-Aktivitäten: Im Fernseh- und Radiobereich ist ein starker Service public durch die SRG-Sender in der Schweiz unbestritten. Für eine multimediale Ausdehnung des Leistungsauftrags der SRG gibt es aber weder medienpolitische noch finanzielle Gründe. Um weitere Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, sind die zulässigen Online-Aktivitäten der SRG nicht weiter auszudehnen. Das Online-Werbeverbot der SRG ist beizubehalten.

–        Keine staatliche Konkurrenz: Die öffentliche Hand agiert heute vereinzelt schon als Herausgeberin von Presseprodukten (amtliche Anzeiger). Im Grundsatz gilt aber, dass die Unabhängigkeit und Freiheit der Medien vom Staat zu wahren sind. Die privaten Medienanbieter sollen in ihrer Tätigkeit nicht durch die öffentliche Hand oder von ihr kontrollierte Betriebe konkurrenziert werden.

–       Urheberrecht: Mit der Digitalisierung steigt die Gefahr, dass Urheberrechte im Bereich der Publizistik missbraucht werden. Fehlende Schutzrechte oder in der Praxis schwer durchsetzbare Ansprüche gefährden längerfristig die Finanzierung des Mediensystems. Das Urheberrecht ist deshalb in dieser Hinsicht zu überprüfen und gegebenenfalls durch angemessene gesetzliche Massnahmen zu ergänzen (z.B. Leistungsschutzrecht zugunsten der Medien für publizistische Inhalte). Dadurch ist sicherzustellen, dass journalistische Inhalte und verlegerische Produkte einen griffigen Schutz geniessen vor der Ausnutzung durch Trittbrettfahrer.“

Und hier die Medienmitteilung:

Medienpolitisches Manifest – Verlegerverband fordert günstige Rahmenbedingungen für private Medienanbieter

Zürich, 16. Juni 2009 – Der Schweizerische Verlegerverband ruft die Politik auf, günstige Rahmenbedingungen für die privaten Medienanbieter in der Schweiz zu schaffen. Damit soll sichergestellt werden, dass diese auch in Zukunft qualitativ hochstehende und vielfältige Medienprodukte anbieten können. Vor allem die Presse erbringt für die politische Meinungsbildung einen zentralen Beitrag. Durch die gegenwärtige konjunkturelle Lage und die veränderte Marktsituation steht sie vor grossen Herausforderungen.

An seiner jährlichen Klausurtagung hat sich das Präsidium von SCHWEIZER PRESSE mit den Fragen einer geeigneten Marktordnung für die Schweizer Medienlandschaft beschäftigt. Dabei wurden direkte Förderungen – wie etwa eine direkte Presseförderung – klar abgelehnt, da dadurch die Unabhängigkeit der Medien tangiert würde. Hingegen werden vorteilhafte Rahmenbedingungen für die freie wirtschaftliche und publizistische Entwicklung begrüsst. Im Rahmen eines medienpolitischen Manifestes wurden sieben konkrete Forderungen aufgestellt. Diese umfassen:

  • Echte Befreiung von der Mehrwertsteuer für Medienprodukte
  • Steuerliche Abzugsfähigkeit der individuellen Ausgaben für Abonnemente von Zeitungen und Zeitschriften
  • Ausdehnung der bestehenden Vertriebsförderung mittels ermässigter Posttarife
  • Wahrung der Werbefreiheit für private Anbieter
  • Einschränkung der Online-Aktivitäten der SRG und Beibehaltung des Online-Werbeverbots für SRG-Sender
  • Keine Konkurrenzierung durch Verlegertätigkeit der öffentlichen Hand
  • Zeitgemässer Schutz der Urheberrechte für publizistische Inhalte und verlegerische Produkte, insbesondere im Online-Bereich

„Wir dürfen keine Waffen tragen“

Dimitri Muratow, Chefredaktor der "Novaja Gazeta" erhielt den Free Media Pioneer Award des IPI in Helsinki. Aufnahme: Neininger   

 

 

 

Dimitri Muratow, Chefredaktor der "Novaja Gazeta" erhielt den Free Media Pioneer Award des IPI in Helsinki. Aufnahme: Neininger

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Mit Dimitri Muratow unterhielten sich Fredy Gsteiger und Norbert Neininger

Herzliche Gratulation zur Auszeichnung, Herr Muratow. Bitte schildern Sie uns die Situation in Russland…

Dimitri Muratow: Ganz einfach: Die Regierung möchte, dass wir eine unbedruckte Zeitung publizieren und diese mit Filzstiften verteilen, so dass die Leute sich ihre Zeitung selber schreiben können…

Das bedeutet, dass recherchierende Journalisten nicht geschätzt werden?

Das ist zu milde ausgedrückt, wir werden bedroht und müssen um unsere Gesundheit und unser Leben fürchten. Wir haben deshalb beantragt, dass unsere Journalisten die Erlaubnis bekommen, Waffen zu tragen. Das wurde abgelehnt. 

Sie leiten eine gute Zeitung mit mutigen Journalisten. Andere aber – vor allem auch die Fernsehstationen – informieren nachlässig. Wie gut sind eigentlich Ihre Landsleute informiert?

Es gibt keine Meinungsfreiheit in Russland, aber es gibt einen freien Zugang zu Informationen. Ein verantwortungsvoller Bürger kann den Kommersant und die Novaja Gazeta lesen und regelmässig unsere Website und http://www.newsru.com besuchen. Wenn er darüber hinaus noch zu den Hörern der Radiostation Echo von Moskau gehört, dann weiss er über das Geschehen in Russland ausgezeichnet bescheid. Er braucht natürlich viel Zeit, um das zu tun.

Wie geht es Ihrer Zeitung finanziell?

Unsere Auflage nimmt zu, wir publizieren 30 Prozent mehr Seiten und wir haben 75 Prozent mehr Werbeeinnahmen als im letzten Monat. Der Grund dafür ist die Politik unserer Regierung. Das hat uns sehr geholfen. In der Krise – und wir befinden uns in einer Krise – wollen die Leute die Wahrheit lesen und keine Propaganda.

Das heisst, Ihre Zeitung schreibt schwarze Zahlen?

Nein, nein. Wir brauchen die Unterstützung von Herrn Lebedev und Herrn Gorbatschow und vieler anderer. Viele Menschen unterstützen uns mit teilweise auch kleinen Beträgen. Das ist für uns sehr wichtig.

Wie viele Russen nehmen sich die Zeit, die von Ihnen empfohlenen Medien zu konsultieren?

Wir haben eine Auflage von rund einer Million. Und es gibt, so glauben wir, ein Potential von fünf Millionen für meine Zeitung. Es gibt also viele verantwortungsvolle Bürgerinnen und Bürger, wir nehmen an, dass es fünf bis zehn Prozent aller Russen sind. So viele haben ja auch bei den letzten Wahlen für die Opposition votiert.

Gibt es freie, unabhängige Fernsehstationen?

Es gibt keine Freiheit in Kanal 1, Kanal 2, Kanal 3, Kanal 4 oder Kanal 5. Aber es gibt einen Kanal 5 in St. Petersburg, der unabhängig ist und nun national verbreitet wird. Und es gibt die Station REN, die gut informiert. Und wir werden bald selber auf dem Internet unseren eigenen Fernsehsender betreiben. Immerhin 40 Millionen Russen haben Zugang zum Internet und die möchten wir erreichen.

Das Resultat einer Umfrage in Russland war, dass Pressefreiheit für Russen nicht sehr wichtig ist…

Das stimmt. Sehen Sie, seit dem Jahr 2000 erzählt man den Menschen, dass Demokratie nicht wichtig sei für unser Land, dass die Regierung über allem stehe. Und da braucht es natürlich keine Freiheit, da muss man einfach hören, was die Regierung befiehlt und dann diese Befehle ausführen. Aber: niemand erwartete, dass die Sowjetunion einmal auseinanderfallen könnte. Vor 20 Jahren, genau vor 20 Jahren, wurden die die Debatten des Volkskongresses direkt übertragen. Die Menschen sassen vor dem Fernseher und hörten diesen Debatten zu. Und innerhalb einer einzigen Woche war das Land nicht mehr dasselbe. 

Sie erwarten also einen weiteren Schritt in Richtung eines freieren Russlands?

Keine einzige Voraussage über die Entwicklung Russlands hat sich je bewahrheitet. Nie!

Sind Sie selber – als Journalist – optimistisch?

Nein.

Welche Recherche betreiben Sie derzeit?

Wir gehen dem Öl- und Gashandel nach und recherchieren die Lebensumstände der ranghöchsten Bürokraten. Und versuchen herauszufinden, wie gross deren Vermögen ist.

Herr Muratow, besten Dank und alle Gute für die Zukunft.

IPI-Kongress Helsinki, Tag 2: Was bleibt…

Von Norbert Neininger

Eineinhalb Stunden dauerte die Diskussion über die Frage, ob wirtschaftlicher Erfolg und zensierte Medien in Asien vereinbar seien. Dann erlöste uns Xian Qiang – der Gründer und Chefredaktor von „China Digital“ – endlich, indem er lakonisch feststellte: „Diktatur und freie Medien sind unvereinbar.“ Der promovierte Physiker und Absolvent der renommierten Columbia School of Journalism widersprach zuvor der landläufigen Meinung, dass sich das derzeitige chinesische Regime nicht mehr langen halten könne. Das sieht Qiang anders, schliesslich sei China derzeit erfolgreich und das zähle am meisten. 

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Am Rand notiert: wenn Du etwas vor einem 20jährigen verstecken willst, leg es in ein Buch.

Die grossen Frage in der Diskussion am Nachmittag über Neue Medien und Fernsehen: Können Journalisten für mehrere Medien arbeiten? Kann man Bloggern trauen? Was braucht es, um Qualitätsjournalismus am Leben zue erhalten?

Die weiteren Berichte vom IPI-Kongress folgen am Wochenende.

Auf der Suche nach der Zauberformel

Interview mit Jill Abramson über die Situation in der amerikanischen Medienlandschaft.

Von Fredy Gsteiger und Norbert Neininger.

Chefredaktorin der New York Times

Jill Abramson, Managing Editor der New York Times. Aufnahme: Norbert Neininger

Mrs Abramson, alle reden von der Zeitungskrise – Sie nicht?

Jill Abramson, Managing Editor der New York Times: Natürlich durchleben wir eine Krise, die vieles verändern wird…

… auch die New York Times?

Abramson: Ja, auch uns. Auch wir sind gefordert, auch wir müssen Kosten sparen. Wir haben jetzt grad eine Lohnsenkung um fünf Prozent akzeptiert.

Sie selber auch?

Abramson: Ja, natürlich ich auch. Aber ich bin dennoch überzeugt, dass guter Journalismus, der so genannte Qualitätsjournalismus, auch in Zukunft verlangt werden wird. Deshalb haben die Qualitätszeitungen, und dazu gehört die Times zweifellos, auch ein gute Zukunft vor sich. Und deshalb bin ich optimistisch. In einer freien Gesellschaft, in einer demokratisch organisierten Gesellschaft braucht es unabhängige Redaktionen. Wir leben darüber hinaus in einer Zeit mit zu vielen News und zu wenig Verständnis für die Zusammenhänge. Der Appetit nach sorgfältig ausgewählte Informationen, elegant geschriebenen und gut präsentierten Reportagen und Berichten ist nach wie vor gross. Ich meine dabei nicht nur Zeitungsartikel sondern denke durchaus an medienübergreifende Reportagen, die mit Videofilmen und Tondokumenten angereichert sind.

Die Menschen schätzen Qualitätsjournalismus, die Frage aber ist: wollen Sie dafür noch bezahlen?

Das klassische Geschäftsmodell der Medienunternehmen ist unter Druck, das stimmt. Deshalb erleben wir ja im Moment, dass sich viele von der Idee verabschieden, dass die Inhalte im Internet gratis sein müssen. Man ist daran, neue Konzepte dafür zu finden, wie auch im Internet für Journalismus bezahlt wird. Ich glaube nicht, dass wir das mit einem einzigen für alle gültigen Modell, einer Zauberformel, lösen können, einem Bezahlmodell also, das für alle Verlage funtkioniert. Wir haben jetzt eine Experimentierphase vor uns, wir müssen herausfinden, wofür die Konsumenten wie viel bezahlen wollen. Ich weiss nicht, wie die Lösungen aussehen werden, ich weiss nur, dass wir sie finden werden. Im Moment beschäftigen sich die intelligentestern Köpfe unseres Unternehmens mit dieser Frage. Wenn wir an der Idee des Qualitätsjournalismus festhalten, haben wir eine gute Zukunft.

Können wir die Fehler der Vergangenheit wirklich noch korrigieren?

Die Antwort ist weder ja noch nein. Ich glaube, dass es einen Markt für bestimmte journalistische Formen gibt, für andere wiederum nicht. Die Idee aber, dass niemand auf dem Netz bereit ist, für Inhalte zu bezahlen, diese Idee wird nun stark in Zweifel gezogen. Das ist nicht mehr, wie noch vor fünf Jahren, allgemein akzeptiert.

In der ganzen Branche sinken aber jetzt die Löhne, ist es denn noch möglich, die besten und begabtesten Leute für uns zu gewinnen?

Abramson: Sie sprechen da eine meiner grossen Sorgen an. Wir brauchen die grössten Talente und müssen denen auch gute Arbeitsbedingungen anbieten können. Glücklicherweise gelingt es uns noch immer, begabte Journalisten für die Mitarbeit zu begeistern.

Sie sind ein Spezialfall…

Abramson: Ja, das stimmt. Wir sind die letzten einer fast aussterbenden Art, die letzte amerikanische Qualitätszeitung mit landesweiter Verbreitung und internationaler Ausrichtung.  Und obwohl meine Kollegen Lohnkürzungen hinnehmen mussten, sind sie dennoch froh und stolz, bei der New York Times arbeiten zu können. Niemand geht weg.

Aber auch Sie mussten Leute entlassen?

Abramson: Ja, das mussten wir – aber weit weniger als andere; der Stellenabbau fand vor allem im Verlag und nicht bei der Redaktion statt.

Über das Engagement von Investoren wir Carlos Slim machen Sie sich keine Sorgen?

Abramson: Bis jetzt nicht, nein.  Herr Slim hat bei uns sein Geld angelegt und das wird gut verzinst. Und so weit ich das abschätzen kann, hat er nicht versucht, auf den Inhalt der Zeitung oder das Management Einfluss zu nehmen. Es gibt ja neben ihm noch andere grosse Investoren. Die Times ist ja mit stabilen Eigentumsverhältnissen gesegnet, sie gehört der Familie Ochs-Sulzberger seit mehr als 100 Jahren. Und auch in diesen harten, dividendenlosen Jahren, steht die Familie hinter ihrer Times.

Die Auflage der New York Times ist respektabel aber für ein Land mit rund 270 Millionen Einwohnern wiederum nicht gross. Es gibt also offenbar viele Amerikaner, die keine Qualitätszeitung lesen. Da weder das Radio noch das Fernsehen oder die lokalen Zeitungen breit über das Ausland informieren, entsteht da doch ein Problem…

Abramson: Ja, das macht mir Sorgen. Wir hatten in unserem Land viele Qualitätszeitungen wie beispielsweise den Philadelphia Inquirer oder den St. Louis Post-Dispatch; die finanzierten sich vor allem durch Rubrikeninserate. Diese sind aber nun ins Internet verschwunden. Eine einzige Rubrikenplattform – die Craigs List – hat dieses Geschäft geradezu ausradiert. Und nun gibt es Hauptstädte von Gliedstaaten, die keine eigene Zeitung mehr haben. Die Aufgabe der Journalisten ist ja, vierte Gewalt zu sein und ich fürchte, viele Medienunternehmen haben dazu nicht mehr die nötigen Mittel.

Werden wir bald zur zweigeteilten Gesellschaft, in der eine nur noch schmale Elite solche Flaggschiffzeitungen wie die New York Times liest und die anderen keine qualitativ guten Informationen mehr bekommen?

Abramson: Nun, die Times richtet sich an ein gebildetes Publikum, daneben haben wir ja auch noch Zeitungen anderer Kategorien, die mehr den Boulevardblättern in Europa gleichen. Es sollte viele verschiedene Zeitungen geben; ich stelle das mir wie ein grosses, reichhaltigen Buffet vor mit vielen verschiedenen Speisen. Und es sollte keine der Platten fehlen.

 In Philadelphia ist der Inquirer in grössten Schwierigkeiten, was ist dort geschehen?

Abramson: Der Inquirer wurde von lokalen Investoren gekauft und diese sind nun mit den Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise konfrontiert. Ich hoffe, dass sie diese bewältigen – ich kann und möchte mir eine Stadt wie Philadelphia nicht ohne eine, nein, ohne mehrere, Qualitätszeitungen nicht vorstellen.

Reden wir über das Internet: Da sehen wir wenig gute Recherchen…

Abramson: Das war die Situation vor fünf Jahren, es gab damals bereits  viele Blogs, aber wenig relevante Information. Inzwischen gibt es Blogger, die durchaus guten Journalismus liefern; nehmen Sie beispielsweise Talkingpointsmemo.com, eine Online-Zeitung, die ich besonders mag: Die recherchieren gut und haben eine Methode entwickelt, mit der das Wissen der Leserinnen und Leser genutzt wird. Sie nennen das Cloud Sourcing. Das kopieren wir grad bei der New York Times.

Das hat aber nichts mit der Arbeit von erfahrenen Reportern und Korrespondenten zu tun…

Abramson: Nein, dazu braucht es Medienunternehmen, welche die Mittel und den Support zur Verfügung stellen können, welche die Kollegen in Afghanistan oder im Irak brauchen. Ohne Institutionen wie die New York Times ist das nicht möglich.

Was sagen Sie zur These, dass zwar die Newspapers insgesamt nicht verschwinden werden, aber vielleicht ein Teil davon, das Paper?

Abramson: Das ist möglich. Aber bedenken Sie folgendes 830’000 Leute bezahlen nun einigermassen viel Geld, um das Pivileg zu haben, die gedruckte New York Times zu lesenn. Sie wollen es so und nicht anders und solange das so ist, werden wir ihnen das liefern, was sie wollen.

Wäre es möglich, den Preis zu erhöhen?

Abramson: Das haben wir gerade jetzt ab Juni getan…

Und dennoch ist die Times noch immer billiger als ein Sandwich…

Abramson: Meine beste Freundin sagt immer, die New York Times ist „the best time you can have for a dollar“.

Mrs Abramson, wir danken für das Gespräch.*

* Das Interview wurde am Rand des Kongresses des Internationalen Presseinstituts in Helsinki geführt und wird in den „Schaffhauser Nachrichten“ und im Medienmagazin „Persönlich“ publiziert.

Ein paar Artikel von Jill Abramson hier.

Spiegel online: Staat muss den Verlagen helfen

Jürgen Neffe schreibt in einer dreiteiligen Serie zur Zukunft der Zeitung unter anderem: „Ohne Subventionen sind die Produkte schreibender Journalisten noch weniger konkurrenzfähig und schlechter verkäuflich als die der Autobauer, Steinkohleförderer oder Milchbauern. Anders als sonstige Konsumgüter stehen Presseerzeugnisse aber unter dem Schutz unserer Verfassung. Wenn also irgendwo der Staat als Retter gefragt ist, dann hier. Um eines der ältesten und stabilsten Standbeine der Demokratie zu stützen, werden wir auf kurz oder lang über Formen öffentlich-rechtlicher Presse sprechen müssen – bei der sich die Politik allerdings nicht so einmischen dürfte wie bei Radio und Fernsehen. Der Zeitpunkt war nie günstiger als jetzt, da aus Printmedien Textmedien werden, die im multimedialen Konzert der elektronischen Medien ihren Platz suchen.“

Die Zukunft der Zeitung according to the American Newspaper Editors

Die grössten amerikanischen Zeitungsverleger trafen sich an einer (vergeblich) geheimgehaltenen Sitzung in Chicago um über die Frage nachzudenken, wie Geld für die Inhalte im Internet verlangt werden kann. Hier der Report, der den Verlegern präsentiert wurde, um die Diskussion zu beflügeln. 

Der Newspaper Economic Action Plan zum Thema Paid Content.

Presseförderung: Schottische Regierung will allen 17jährigen ein Zeitungsabonnement schenken

Wer sagt denn, dass die Schotten geizig seien? Jetzt hat die schottische Regierung – angelehnt ans französische Vorbild – eine Idee: alle 17jährigen sollen ein Zeitungsabonnement geschenkt bekommen. Damit will die Regierung die Zeitungsindustrie unterstützen. Hier der Artikel aus der Press Gazette. 

Ob das nun schlau ist? Vielleicht freuen sich die im selben Haushalt lebenden Eltern mehr über das Geschenk als ihre Kinder: Das eigene Abonnement kann dann wohl abbestellt werden.

N.N.

Artikel für den „Sonntag“: Es geht um die Inhalte

 Von Norbert Neininger

Als die Schallplattenhersteller glaubten, sie verkauften Vinyl, unterlagen sie demselben Irrtum wie die Compact-Disc-Produzenten, die meinten, ihr Geschäft sei die Herstellung und die Distribution von silbernen Scheiben. Erst mit Angeboten wie iTunes war dann endlich allen klar: Es ging schon immer nur um die Inhalte – die Musik – und nicht um das Trägermediun.  Mit der Entstofflichung der Information tun sich auch die Medienunternehmen schwer, und die Verwirrung in einer erfolgsgewohnten und auch -verwöhnten Branche ist gross. 

(Und anders als in der Musikindustrie hat die Ablösung des einen durch den anderen Träger nicht stattgefunden: Zeitung, Radio, Fernsehen und Internet, sie alle finden ihr Publikum. Aber im Kampf um die die Aufmerksamkeit ist den Verlegern inzwischen eine einfallsreiche Konkurrenz erwachsen.)

Blick zurück: Wer der Öffentlichkeit etwas mitteilen wollte, der musste dies in der Zeitung tun; sie bildete die einzige Brücke zwischen Sendern und Empfängern von Nachrichten. Und das Geschäftsmodell? Es war das Prinzip des Brückenzolls. Wer aber von zollähnlichen Einkünften lebt, der muss seine Kraft nicht zur Mittelbeschaffung einsetzen; er kann sich vielmehr und zur Hauptsache für die Öffentlichkeit engagieren und Service public leisten. Aber er ist für einen harten Wettbewerb leider nicht gerüstet.      

Wir wollen das Modell nicht strapazieren, stellen aber fest: Als Radio und Fernsehen neue Möglichkeiten eröffneten, reagierten viele Verlagshäuser hilflos. Und als die Verlage endlich das Internet entdeckten, wurden Zeitungen gratis ins Netz gestellt, und man war vollends verwirrt, als sich das nicht refinanzieren liess. In einem Medium, das alle Menschen auf der Welt in Lichtgeschwindigkeit kostenlos miteinander verbindet, eröffneten sich hingegen selbtstredend neue, spannende Möglichkeiten, die eBay, Amazon oder Facebook wahrgenommen haben.

Und nun befindet sich unser Branche in einer doppelten Krise: In einer Strukturkrise, weil die Zeitungen das Aufmerksamkeitsmonopol verloren haben, und in einer Konjunkturkrise, weil die Werbeumsätze zurückgehen. Und bang fragen sich manche, ob denn die Medienunternehmen mit ihren abonnierten politischen Tageszeitungen überleben können.

Wer überleben will, der muss entweder genügend Kunden finden oder von der Gemeinschaft für unverzichtbar erachtet und unterstützt werden – idealerweise trifft für Medien beides zu. Unverzichtbar für eine funktionierende demokratische Gesellschaft ist ein informierter Bürger – das steht fest. Bleibt die Kernfrage, ob es noch immer die Zeitungen sind, die das sicherstellen.

Will man die Notwendigkeit einer Sache überprüfen, kann man sie sich für einmal wegdenken; wie also sähe die mediale Schweiz ohne Zeitungsredaktionen aus? 

Zuerst einmal würden dann alle von Zeitungsjournalisten geschaffene Inhalte aus dem Internet ebenfalls verschwinden. Die Menschen müssten hektisch im steten, durch Millionen von ungefilterten und auch trüben Zuflüssen gespiesenen, Nachrichtenstrom des Intenets zappeln; sie wären immer online und unablässig auf der Jagd nach dem Neuen. Und für Reflexion bliebe keine Musse.

Da hilft die Zeitungsredaktion: Sie ordnet, gewichtet und komprimiert die Nachrichten des Tages, liefert eine Zusammenfassung des Wichtigsten pünktlich und zuverlässig und auf Wunsch sogar nach Hause. Sie ist – im besten Sinne – ein Hort der Debatte und des Nachdenkens. Und ein Kompass durch den immer dichter werdenden Nachrichtendschungel.

Sollte dieses Institution der Aufklärung den Wettbewerb mit den vielen bunten News-Smarties des Netzes ins Hintertreffen geraten, so wird der demokratische Staat Rahmenbedingungen schaffen müssen, welche das Überleben des vetrauenswürdigen Journalismus sichern. Einflussnahme ist damit – entgegen allen Unkenrufen – bei intelligenten Modellen nicht verbunden: Über Jahre flossen Hunderte von Millionen in die indirekte Presseförderung, ohne dass die Medienfreiheit eingeschränkt gewesen wäre; in fast allen europäischen Ländern wird die Presse darüber hinaus ohne freiheitsgefährdende Auflagen unterstützt.

Selbstredend müssen die Medienunternehmen ihre Hausaufgaben erledigen: Sie müssen der Qualität – will heissen auch der Wahrhaftigkeit und dem Gemeinsinn – verpflichtet bleiben, und zwar auch bei ihrem Engagement in neuen Medien. Und sie müssen ihre Urheberrechte durchsetzen und dürfen ihre Inhalte nicht mehr verschenken.

Von den besseren gesetzlichen Rahmenbedingungen könnten dann alle Zeitungen gleichermassen profitieren; das Gemeinwesen muss allerdings Regeln schaffen, welche die Medien- und Eigentümervielfalt fördern.  Denn schlimmer als ein föderalistisches Land ohne Medienunternehmen wäre ein Staat mit nur noch einem einzigen.